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Mittwoch, den 15. Februar 2012 um 05:05 Uhr

Was Pilze in Ökosystemen leisten

Wissenschaftlern der Universität Bayreuth ist es gelungen, das Potenzial der Chip-Technologie für neue Anwendungen in der Ökosystemforschung zu erweitern. Ein neuer 'EcoChip' macht es jetzt möglich, von Umweltproben auf Artenvielfalt und Funktionen in Ökosystemen zu schließen.
Pilze spielen in fast allen Ökosystemen, wie Wälder oder Ackerböden, eine zentrale Rolle. Sie zersetzen dort etwa 90 Prozent der Biomasse abgestorbener Organismen und speisen sie dadurch wieder in den Stoffkreislauf ein. In einem Ökosystem übernehmen verschiedene Pilzarten jeweils besondere Aufgaben und stehen auch untereinander in Wechselwirkung. Diese Leistungen in voller Breite zu analysieren, war bislang nicht möglich, weil die vorhandenen Technologien nicht ausreichten. Doch ein so genannter 'EcoChip', den Wissenschaftler an der Universität Bayreuth entwickelt haben, versetzt die Forscher jetzt in die Lage, den ökosystemaren Funktionen von Pilzarten genauer auf die Spur zu kommen. In der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift "Microarrays" stellt das Forschungsteam um Prof. Dr. Gerhard Rambold, der die Abteilung für Mykologie am Fachbereich Biologie leitet, den Prototyp vor.

Der neue EcoChip macht es möglich, beispielsweise Boden- und Pflanzenproben mit einer bisher unerreichten Genauigkeit auf die darin vorkommenden Pilzarten zu analysieren. Entscheidend ist, dass es sich um Nukleinsäureproben handelt. Diese werden mit Farbstoffen markiert und mit der Oberfläche des EcoChips in Kontakt gebracht. Aufgrund von Signalen, die dabei entstehen, lässt sich zunächst einmal mit hoher Treffsicherheit ermitteln, welche Pilzarten in der Probe vorhanden waren. Schon dies ist ein großer Fortschritt angesichts der Tatsache, dass aktuell rund 46.000 Pilzarten bekannt sind, aber mehr als 1,5 Millionen Pilzarten weltweit vermutet werden. Zugleich eröffnet der EcoChip aus Bayreuth die Möglichkeit, präzise Einblicke in die besonderen Leistungen der Pilzgemeinschaft zu gewinnen.

Damit ist es gelungen, das Potenzial der bekannten Chip-Technologie so zu erweitern, dass sie neue Anwendungen in der Ökosystemforschung ermöglicht. Die Innovation liegt darin, dass die Bayreuther Wissenschaftler in einer entscheidenden Hinsicht vom Design derjenigen Chips abgewichen sind, die in der Genforschung bislang verwendet werden. Der EcoChip analysiert nämlich nicht die DNA, in der die Erbinformationen eines Organismus gespeichert sind. Stattdessen unterstützt er die Entschlüsselung des Transkriptoms. So wird in der Forschung die im Organismus enthaltene RNA bezeichnet, die dadurch entsteht, dass Abschnitte der DNA umgeschrieben werden. Die RNA steuert die Bereitstellung von Proteinen, die spezifische Funktionen im Organismus und in seiner Umwelt übernehmen. Weil der Bayreuther EcoChip für RNA-Analysen ausgelegt ist, versetzt er die Wissenschaftler nicht nur in die Lage, die in den Proben enthaltenen aktiven Pilzarten ausfindig zu machen. Er gibt gleichzeitig darüber Auskunft, welche Funktionen diese Pilzarten in ihrer Umwelt haben – beispielsweise im Zusammenhang mit dem Biomassekreislauf eines Ökosystems. Auch die Dynamik dieser Funktionen tritt erst dann deutlich zutage, wenn die Chip-Technologie für die Untersuchung des Transkriptoms eingesetzt wird.

Die Forschungsideen der Bayreuther Wissenschaftler eröffnen damit den Weg für eine neue Generation von Microarrays, die nicht allein die Pilzforschung, sondern auch die Ökosystemforschung voranbringen können. Denn die Chip-Herstellung hat sich, dank neuer Produktionsverfahren, enorm verbilligt. So können heute auf einem wenige Quadratzentimeter großen Chip Hunderttausende von Minisonden platziert werden. Diese sind darauf spezialisiert, bestimmte Abschnitte des Transkriptoms und die darin begründeten Funktionen zu identifizieren. Zudem ist das Preis-Leistungs-Verhältnis beim Bayreuther EcoChip sehr viel günstiger als bei der Hochdurchsatz-Sequenzierung. Dieses Verfahren wird seit kurzem in der genetischen Diagnostik mit großem Erfolg eingesetzt, aber ist für breiter angelegte molekularökologische Studien derzeit noch viel zu teuer.

Das Labor für DNA-Analytik und Ökoinformatik des Fachbereichs Biologie der Universität Bayreuth verfügt über die notwendige technische Ausstattung, um EcoChips maßgeschneidert für verschiedene Forschungsvorhaben zu entwerfen. Da die Fertigungszeit und die anschließende Analyse nur wenige Wochen dauert, können selbst umfangreiche Projekte in verhältnismäßig kurzer Zeit abgeschlossen werden.


Den Artikel finden Sie unter:

http://www.uni-bayreuth.de/blick-in-die-forschung/05-2012.pdf

Quelle: Universität Bayreuth (02/2012)


Veröffentlichung:
Derek Peršoh, Alfons R. Weig and Gerhard Rambold,
A Transcriptome-Targeting EcoChip for Assessing Functional Mycodiversity,
in: Microarrays 2012, 1(1), pp. 25-41
DOI-Bookmark: 10.3390/microarrays1010025

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