Donnerstag, den 16. März 2023 um 04:38 Uhr

Biomarker und Gene: neue Chancen und Herausforderungen für die Parkinson-Diagnose und die Entwicklung spezifischer Therapien

Die Zukunft der Parkinson-Behandlung liegt in zielgerichteten Therapien, die an der Ursache ansetzen. Dabei wächst der Stellenwert von Genetik und Biomarkern in der Parkinson-Forschung. „Neue Biomarker zur Einordnung der vorherrschenden Pathologie und Stoffwechselwege sind zum Beispiel für klinische Studien im Bereich neuer Wirkstoffe sehr wichtig“, sagt PD Dr. Kathrin Brockmann, Oberärztin und Leiterin der Parkinson-Ambulanz am Universitätsklinikum Tübingen und 3. Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Parkinson und Bewegungsstörungen (DPG). Anlässlich des virtuellen Kongresses „Highlights Digital 2023“ der DPG fasste sie aktuelle Forschungsergebnisse zu Genetik und Biomarkern zusammen.

Fortschritte bei der Erforschung genetischer Risikovarianten

Die Entstehung der Parkinson-Krankheit hat vielfältige Ursachen, so Brockmann. Bestimmte genetische Veränderungen sowie auch nicht genetische Risikofaktoren können das Erkrankungsrisiko erhöhen. Zu Letzteren zählt insbesondere das Altern, aber auch der langjährige Gebrauch von Pestiziden oder wiederholte Hirntraumata.
Die technischen Fortschritte der letzten Jahre haben der Forschung nach den genetischen Ursachen einen bedeutsamen Schub gegeben. „Es ist gelungen, neben klaren erblichen Formen auch wichtige genetische Risikovarianten zu identifizieren“, berichtet Brockmann. So kennen wir neben den seltenen Mutationen in den Genen LRRK2, Parkin und PINK1 vor allem Mutationen im GBA-Gen als derzeit wichtigsten genetischen Faktor für die Parkinson-Erkrankung.
„Die Kenntnis über die im Rahmen von genetischen Mutationen beteiligten Stoffwechselwege wird zu vielversprechenden Entwicklungen im Bereich der krankheitsmodifizierenden und
-spezifischen Therapieentwicklung beitragen“, so die Einschätzung von Brockmann.

Internationale Register für Studien mit genspezifischen Therapien

Aktuell etablieren sich zahlreiche internationale Konsortien, die Parkinson-Patient:innen nach ihrem Mutationstyp stratifizieren. „Ziel dieser Initiativen ist es, die unterschiedlichen genetischen Subtypen klinisch und auch biologisch noch besser zu beschreiben und zu stratifizieren, um geeigneten Patient:innen eine Teilnahme an klinischen Studien mit genspezifischen Therapieansätzen anbieten zu können“, erläutert Brockmann.

Individuelles Krankheitsbild: Biomarker zeigen, wer von welcher Therapie profitiert

Die Parkinson-Erkrankung hat nicht nur eine genetische Komponente, sie wird auch durch externe Faktoren beeinflusst. „Pflanzenschutzmittel wie Herbizide und Pestizide begünstigen die Parkinson-Erkrankung. Dem gegenüber stehen aber auch wichtige schützende Faktoren wie z. B. eine regelmäßige sportliche Betätigung, die das Erkrankungsrisiko senken kann“, schildert Brockmann. Die äußeren Umstände modulieren also in komplexer Art und Weise das individuelle Krankheitsrisiko und auch den Verlauf, betont die Expertin.
Die Heterogenität in der Krankheitsentstehung als Zusammenspiel genetischer und externer Faktoren unterstreicht den Bedarf an Biomarkern, die zwischen den jeweils beteiligten Stoffwechselwegen sowie den zugrunde liegenden Pathologien unterscheiden können. „Durch den Einsatz spezifischer Biomarker könnte so gezielt identifiziert werden, welche Menschen höchstwahrscheinlich von einem bestimmten Therapieansatz profitieren und welche von einem anderen“, berichtet Brockmann.

Neue Methode weist fehlgefaltetes Alpha-Synuclein im Hirnwasser nach

Viele unterschiedliche Stoffwechselwege führen zur Parkinson-Erkrankung und zu deren Voranschreiten. Bei der Mehrzahl der Menschen mit Parkinson haben sie eine gemeinsame Endstrecke: die Ausbreitung und Ablagerung des fehlgefalteten Eiweißes Alpha-Synuclein. Dieses ist somit – neben den einzelnen ursachenspezifischen molekularen Defekten – ein zentraler Angriffspunkt für modifizierende Therapien. „Da es derzeit tatsächlich erste Studien mit Impfungen gegen fehlgefaltete Formen des Alpha-Synucleins gibt, stehen wir vor der großen Herausforderung vorherzusagen, bei welchen Patient:innen besonders viel von dem fehlgefalteten Alpha-Synuclein vorliegt, welches das Fortschreiten der Erkrankung treibt“, erklärt Brockmann. Seit Kurzem ist es mithilfe eines neuen sogenannten seed amplification assay (SAA) erstmals möglich, das Vorhandensein von fehlgefaltetem Alpha-Synuclein individuell bei einem Patienten oder einer Patientin mit einer 95-%-Genauigkeit zu messen. Am besten gelingt dies aktuell im Hirnwasser, doch es werden auch Analysen in Blut, Haut und Schleimhaut versucht.
Interessanterweise zeigen sich dabei im Hirnwasser bei Patient:innen mit genetischen Veränderungen je nach betroffenem Gen ganz unterschiedliche Profile [3]. So wiesen 93 % der Parkinson-Patient:innen mit Mutationen im GBA-Gen ein klares Alpha-Synuclein-Profil auf, während dies in nur 78 % der Patient:innen mit Mutation im LRRK2-Gen zu finden war und Patient:innen mit zwei Mutationen in den Genen Parkin oder PINK1 gar kein fehlgefaltetes Alpha-Synuclein im Nervenwasser aufwiesen.
Somit eignet sich die (Nervenwasser-)Analyse mit diesem neuen SAA zur Identifizierung von Patient:innen mit besonders viel fehlgefaltetem Alpha-Synuclein. Dies wiederum ist für Alpha-Synuclein-gerichtete Therapieansätze relevant, schlussfolgert die Expertin.


Den Artikel finden Sie unter:

https://parkinson-gesellschaft.de/die-dpg/presseservice/pressemeldungen/177-biomarker-und-gene

Quelle: Deutsche Gesellschaft für Parkinson und Bewegungsstörungen e.V. (DPG) (03/2023)

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