Freitag, den 16. April 2021 um 04:58 Uhr

3500 Jahre alter Honigtopf: Ältester direkter Nachweis für Honig-Nutzung in Afrika

Bevor das Zuckerrohr und die Zuckerrübe die Welt eroberten, war Honig weltweit das wichtigste Naturprodukt zum Süßen. Den ältesten direkten Nachweis für die Nutzung von Honig in Afrika haben nun Archäologen der Goethe-Universität in Kooperation mit Chemikern der Universität Bristol erbracht. Sie nutzten dafür die chemischen Nahrungsmittelrückstände in Keramikscherben, die sie in Nigeria gefunden hatten. (Nature Communications, DOI 10.1038/s41467-021-22425-4)

Honig ist das älteste Süßungsmittel der Menschheit – und war tausende von Jahren wohl auch das einzige. Indirekte Hinweise für die Bedeutung der Bienen und der von ihnen erzeugte Produkte liefern zum Beispiel prähistorische Felsbilder von verschiedenen Kontinenten, die vor 8000 bis 40.000 Jahren entstanden sind. Altägyptischen Reliefs geben Hinweise auf die Bienenzucht bereits 2600 Jahre vor Christus. Doch für das subsaharische Afrika fehlte bisher ein direkter archäologischer Nachweis. Mit der Untersuchung von chemischen Nahrungsmittelrückständen in Keramikscherben hat sich das Bild grundlegend geändert. Archäologen der Goethe-Universität konnten jetzt in Kooperation mit Chemikern der Universität Bristol Bienenwachsreste in 3500 Jahre alten Keramikscherben der Nok-Kultur identifizieren.

Die Nok-Kultur in Zentral-Nigeria datiert zwischen 1500 vor Christus und der Zeitenwende und ist vor allem durch ihre bis zu lebensgroßen Terrakotta-Skulpturen bekannt. Sie stellen die älteste figurative Kunst Afrikas dar. Bis vor wenigen Jahren war vollständig unbekannt, in welchem gesellschaftlichen Kontext diese Skulpturen entstanden sind. In einem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Projekt haben Wissenschaftler der Goethe-Universität über zwölf Jahre lang die Nok-Kultur in all ihren archäologischen Facetten untersucht. Neben Siedlungsweise, Chronologie und Bedeutung der Terrakotten waren Wirtschaft und Ernährung ein Schwerpunkt der Forschung.

Hatten die Menschen der Nok-Kultur Haustiere oder waren sie Jäger? Üblicherweise benutzten Archäologen zur Klärung dieser Frage Tierknochen aus den Ausgrabungen. Was aber, wenn der Boden so sauer ist, dass Knochen sich nicht erhalten, so wie es im Nok-Gebiet der Fall ist?

Hier eröffnet die Untersuchung von molekularen Nahrungsmittel-Rückständen in Keramik neue Möglichkeiten. Denn bei der Verarbeitung von Pflanzen- und Tierprodukten in Tontöpfen werden stabile chemische Verbindungen freigesetzt, vor allem Fettsäuren (Lipide). Diese können in den Poren der Gefäßwand über Tausende von Jahren erhalten bleiben und sind mit Hilfe der Gaschromatographie nachweisbar.

Zur großen Überraschung der Forscher fanden sich außer den Resten von Wildtieren zahlreiche andere Bestandteile, die das bisher bekannte Spektrum der genutzten Tiere und Pflanzen erheblich erweitern. Vor allem an ein Tier hatte sie nicht gedacht: die Honigbiene. Ein Drittel der untersuchten Scherben enthielt hochmolekulare Lipide, die typisch für Bienenwachs sind.

Welche Bienenprodukte die Menschen der Nok-Kultur nutzten, lässt sich aus den Lipiden nicht rekonstruieren. Am wahrscheinlichsten ist es, dass sie den Honig in den Töpfen durch Erhitzen von den wachshaltigen Waben trennten. Aber auch die Verarbeitung von Honig zusammen mit anderen tierischen oder pflanzlichen Rohstoffen oder die Herstellung von Met sind denkbar. Das Wachs selber könnte für technische oder medizinische Zwecke gedient haben. Eine weitere Möglichkeit ist die Verwendung von Tontöpfen als Bienenstöcke, so wie es in heutigen traditionellen Gesellschaften Afrikas noch praktiziert wird.

„Wir haben diese Studie mit den Kollegen aus Bristol begonnen, weil wir wissen wollten, ob die Nok-Leute Haustiere hatten,“ erläutert Professor Peter Breunig von der Goethe-Universität, der das archäologische Nok-Projekt leitet. „Dass Honig auf ihrem täglichen Speisezettel stand, war für uns völlig unerwartet und ist in der Vorgeschichte Afrikas bisher einzigartig.“

Dr. Julie Dunne von der University of Bristol, Erstautorin der Studie, sagt: „Dies ist ein bemerkenswertes Beispiel dafür, wie biomolekulare Information aus prähistorischen Tonscherben in Kombination mit ethnographischen Daten Einsichten gewährt in die Nutzung von Honig vor 3500 Jahren.“

Professor Richard Evershed, Leiter des Instituts für Organische Chemie an der Universität Bristol und Co-Autor der Studie, weist darauf hin, dass die besondere Beziehung zwischen Mensch und Honigbiene schon in der Antike bekannt war. „Aber die Entdeckung von Bienenwachsresten in der Nok-Keramik ermöglicht einen ganz besonderen Einblick in diese Beziehung, weil dort alle andere Quellen fehlen.“

Professor Katharina Neumann, an der Goethe-Universität zuständig für die Archäobotanik im Nok-Projekt, sagt: „Pflanzen- und Tierreste aus archäologischen Ausgrabungen spiegeln nur einen kleinen Ausschnitt von dem wieder, was die Menschen in der Vorgeschichte gegessen haben. Die chemischen Rückstände machen bisher unsichtbare Komponenten der prähistorischen Ernährung sichtbar.“ Der erste direkte Nachweis von Bienenwachs eröffne faszinierende Perspektiven für die Archäologie Afrikas. Neumann: „Wir nehmen an, dass die Nutzung von Honig in Afrika eine sehr lange Tradition hat. Die älteste Keramik des Kontinents ist etwa 11.000 Jahre alt. Enthält sie vielleicht auch Bienenwachsreste? In Archiven weltweit liegen tausende von Keramikscherben aus archäologischen Grabungen, die nur darauf warten, ihre chemischen Geheimnisse durch die Gaschromatographie zu enthüllen und dadurch ein konkreteres Bild vom täglichen Leben und der Ernährung der prähistorischen Menschen zu zeichnen.“


Den Artikel finden Sie unter:

https://aktuelles.uni-frankfurt.de/forschung/3500-jahre-alter-honigtopf-aeltester-direkter-nachweis-fuer-honig-nutzung-in-afrika/

Quelle: Goethe-Universität Frankfurt am Main (04/2021)


Publikation:
Julie Dunne, Alexa Höhn, Gabriele Franke, Katharina Neumann, Peter Breunig, Toby Gillard, Caitlin Walton-Doyle1, Richard P. Evershed Honey-collecting in prehistoric West Africa from 3500 years ago. Nature Communications https://doi.org/10.1038/s41467-021-22425-4

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