Dienstag, den 12. Juni 2018 um 07:19 Uhr

Proteinfabriken der Zelle bei der Selbstorganisation beobachten

Ein internationales Forschungsteam unter Leitung des Max-Planck-Instituts für Menschheitsgeschichte in Jena hat zwei 3800 Jahre alte Yersinia pestis-Genome rekonstruiert, die auf eine bronzezeitliche Entstehung der Beulenpest hindeuten. Der jetzt identifizierte Stamm wurde in zwei Skeletten aus einer Doppelbestattung in der Region Samara im heutigen Russland entdeckt. Er ist der bislang älteste bekannte Stamm, der die Gene aufweist, die für die Beulenpest als charakteristisch gelten. Und er ist Vorfahre der heutigen Stämme, welche die Justinianische Pest, den Schwarzen Tod und die Pestepidemien des 19. Jahrhunderts in China auslösten.

Die durch das Bakterium Yersinia pestis verursachte Pest, war Ursache einiger der tödlichsten Pandemien in der Menschheitsgeschichte, einschließlich der Justinianischen Pest, des Schwarzen Todes im mittelalterlichen Europa und der großen Epidemien, die Ende des 19. Jahrhunderts durch China und später den Rest der Welt fegten. Die Krankheit bedroht weiterhin Bevölkerungsgruppen auf der ganzen Welt, so kam es in Madagaskar im letzten Jahr zu einem Pestausbruch mit mehreren tausend Erkrankten. Trotz ihrer historischen und gegenwärtigen Bedeutung sind Ursprung und Alter der Krankheit noch unzureichend erforscht. Insbesondere ist ungeklärt, wann und wo Yersinia pestis die Gene erwarb, die es dem Erreger erlauben, Flöhe als Überträger zu nutzen.

Jüngste Untersuchungen von Yersinia pestis-Genomen früherer Epochen haben eine ausgestorbene Variante des Erregers identifiziert und auf das späte Neolithikum und die frühe Bronzezeit datiert. Dessen Genome weisen jedoch nicht die genetischen Merkmale auf, welche den Pesterreger besonders effizient machen - nämlich die Fähigkeit, in Flöhen zu überleben, was den Hauptübertragungsweg der Krankheit auf Menschen und andere Säugetiere darstellt. Ziel der jetzt in Nature Communications veröffentlichten Studie war es deshalb, weitere Yersinia pestis-Genome aus diesen Epochen zu analysieren, um herauszufinden, wann und wo diese entscheidenden Anpassungen stattfanden.
Pesterreger aus 3800 Jahre alter Doppelbestattung

In der Studie wurden insgesamt neun Skelette aus Gräbern einer Ausgrabungsstätte im heutigen Russland analysiert. Zwei der untersuchten Individuen waren zum Zeitpunkt ihres Todes mit Yersinia pestis infiziert. Beide wurden vor etwa 3800 Jahren gemeinsam in einem einzigen Grab bestattet. Die Analyse der DNA zeigte, dass die Individuen wahrscheinlich der Srubnaya-Kultur angehörten, was mit den archäologischen Befunden übereinstimmt. „Beide Individuen waren mit dem gleichen Stamm von Yersinia pestis infiziert“, erklärt Kirsten Bos vom Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte, „und dieser Stamm weist alle genetischen Komponenten auf, die für die Beulenpest als charakteristisch gelten. Die Pest mit dem Ansteckungspotenzial, das wir heute kennen, gibt es demnach bereits viel länger, als wir bislang dachten. "

Mit Hilfe von Daten, die bei früheren Sequenzierungen von Yersinia pestis-Stämmen gewonnen wurden, berechnete das Forschungsteam das Alter der neu identifizierten Abstammungslinie auf etwa 4000 Jahre. Damit tauchte die Beulenpest 1000 Jahre früher auf als bisher bekannt. „Die Linie, die unsere Yersinia pestis-Isolate hervorbrachten, verfügte über alle notwendigen genetischen Eigenschaften für die effiziente Übertragung von Pest bei Nagetieren, Menschen und anderen Säugetieren“, erklärt Erstautorin Maria Spyrou vom Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte.
Frühe Entwicklungsstadien des gefährlichen Bakteriums

Obwohl frühere Studien eine einzige Linie von Yersinia pestis während der Bronzezeit in ganz Eurasien nachgewiesen haben, legt die aktuelle Studie nahe, dass mindestens zwei Pestlinien gleichzeitig zirkulierten und dass sie möglicherweise verschiedenes Übertragungs- und Ansteckungspotential besaßen. „Ob die Abstammungslinien in den menschlichen Populationen gleichermaßen verbreitet waren und inwieweit menschliche Aktivitäten zu ihrer Verbreitung beigetragen haben, sind Fragen, die weiter untersucht werden müssen“, erklärt Studienleiter Johannes Krause vom Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte. „Weitere Pestgenome der Bronzezeit und der Eisenzeit könnten helfen, Schlüsselereignisse aufzuzeigen, die zur Ausbreitung eines der berüchtigtsten Krankheitserreger der Menschheit beigetragen haben."


Den Artikel finden Sie unter:

https://www.charite.de/service/pressemitteilung/artikel/detail/proteinfabriken_der_zelle_bei_der_selbstorganisation_beobachten/

Quelle: Charité – Universitätsmedizin Berlin (06/2018)

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